Wie wir uns mit unserem inneren Kritiker anfreunden können – eine Nachlese & -schau zum Kreativ-Frühstück der Fachgruppe Werbung vom 5. Mai
Oder was Pumuckl, Drachen und unliebsame Verwandte gemeinsam haben…
Der „Innere Kritiker“ hat viele Erscheinungsformen. Weiblich, männlich, geschlechtslos, aber selten sympathisch. Er mischt sich ungefragt in unser Leben ein, erteilt uns Ratschläge – die sich zuweilen tatsächlich wie Schläge anfühlen können. Selten spricht er liebevoll zu uns: er meckert, er zischt, er ätzt manchmal schreit er sogar! Niemand sonst dürfte so mit uns sprechen!
Kein sehr sympathischer Kerl also. Warum wir ihn uns doch zum Freund machen sollten, und wie uns die Technik des Focusing dabei helfen kann, darüber haben wir am 5.5. mit Ruth Sar-Shalom bei einem Kreativ-Frühstück der Fachgruppe Werbung gesprochen. Ruth Sar-Shalom ist Focusing-Trainerin. In ihrer Heimat Israel und in vielen anderen Ländern ist Focusing eine anerkannte Methode zur Selbsthilfe und Entscheidungsfindung im Alltag oder eine Lösungshilfe für die Bewältigung jeder Art von persönlichen, beziehungsbegründeten oder organisatorischen Problemen.
„Focusing“ is a process for helping your mind listen to the wisdom of your body. In any situation, your body is sending you information. Many of us don’t know how to open our minds to this information because it doesn’t follow the same logic as our cognitive mind. We have deeper wells of knowledge within us than we consciously know. Focusing helps to give us access to all of it.
International Focusing Institute
Focusing: hinhören, hinspüren, wahr-nehmen, zuwenden
„Focusing ist wie ein konzentriert-gelassener Blick auf die Komplexität, damit sich etwas zeigen kann, das schon spürbar ist, noch nicht in Worte gefasst und gleichzeitig doch lebendig – etwas, das eine Richtung und eine tiefe komplexe Bedeutung hat.“ schreibt Ruth auf ihrer Website Focusing-vienna.at
Focusing kann jedeR lernen und anwenden. Eine kleine Focusing-Übung am Anfang unseres Gesprächs hat uns erahnen lassen, wie einfach wir die „zugedeckten“ Stellen in uns finden können (aber auch wie schwierig ein öffentliches Setting ist). Und wie leicht es eigentlich ist, genau hinzuhören, vor allem wenn jemand da ist, der die richtigen Fragen stellt, geduldig Stille aushält und kein Urteil fällt.
Durch das Zuwenden und Hinspüren, können wir beschreiben, was die spezielle Fragestellung mit uns auf einer körperlichen Ebene macht. Die Auseinandersetzung (Beobachtung, Beschreibung, Assoziation …) mit dem körperlichen Gefühl klärt, ordnet und verändert eventuell bereits die Fragestellung. Genau so könnten wir uns auch einmal unserem inneren Kritiker zuwenden.
Danke an Pepo Schuster @austrofocus für die großartigen Fotos!
Mach dir einen Drachen zum Freund
Eigentlich, so Ruth Sar-Shalom, will uns der innere Kritiker ja beschützen. Vor Scham, vor Fehlern, vor Versagen. Wenn wir ihm wohlwollend – jaja, ich weiß: schwierige Sache – begegnen und ihm diese positive Absicht unterstellen, kann er uns dienlich sein. Ruth hat dazu die sehr schöne Drachen-Metapher gebracht: Stellen wir uns doch den „Inneren Kritiker“ als Drachen vor. Ein magisches Wesen, das uns – also seinen Schatz – davor bewahren möchte bloßgestellt, beschädigt, gestohlen … zu werden. Wenn der Drache die Gelegenheit hat, seine (!) Befürchtung zu formulieren, können wir diese auf ihren Wahrheitsgehalt prüfen. Und dann entweder verwerfen oder unser Verhalten anpassen.
Je öfter wir diesem Drachen in uns zuhören, ihn ernst nehmen, ohne uns von ihm beherrschen zu lassen, umso freundschaftlicher wird unser Verhältnis.
PS: Nein, die Teilnehmer*innen schlafen nicht, sondern machen eine Focusing-Übung!
Links und Lesetipps
https://focusing.org. (NYInstitut, Englisch)
https://www.focusing-vienna.com (meine Homepage)
Focusing von Eugene Gendlin
Focusing-Der Stimme des Körpers folgen von Ann Weiser-Cornell
Die Kunst des Annehmens von Ann Weiser-Cornell